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Titel: "Phonetic features of (multi-)ethnic urban vernaculars in German-speaking Switzerland"
Seit der Jahrtausendwende hat man in Deutschschweizer Städten festgestellt, dass sich die Aussprache des Schweizerdeutschen bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund zum Teil deutlich von traditionelleren Formen der Dialekte unterscheidet. Das Forschungsprojekt beschreibt die lautlichen Merkmale dieser neuen Sprechweisen anhand von quantitativen, experimentellen Methoden und untersucht gleichzeitig deren soziale Interpretation durch Mitglieder der Sprachgemeinschaft.
Der Begriff ‘(Multi-)Ethnolekt’ bezieht sich auf Sprechweisen, die während den letzten Jahrzehnten in städtischen Ballungsgebieten mehrerer westeuropäischer Länder entstanden und hauptsächlich von Jugendlichen mit Migrationshintergrund geprägt worden sind. Solche (Multi-)Ethnolekte zeichnen sich weniger durch Sprachmischungen als durch Transformationen traditioneller Sprachformen aus; sie dienen dem Ausdruck einer ‘anderen’ Identität, mit der sich die Sprechenden in unserem Fall als ‘Nicht-Schweizer’ zu erkennen geben. Im Sprachgebrauch des multiethnolektalen Schweizerdeutsch fallen neben typischen Gesprächswörtern wie „Hey, Mann“ und grammatikalischen Vereinfachungen („gömmer Bahnhof”) vor allem phonetische Besonderheiten auf. Dazu gehören unter anderem eine deutlich stimmhafte Aussprache der Konsonanten [b d g] sowie eine ‘starke’ Realisierung von [s] am Wortanfang. Zudem werden Deutschschweizer (Multi-)Ethnolekte oft mit einer Art ‘Staccato’-Rhythmus gesprochen.
Im abgeschlossenen Forschungsprojekt (Dauer: 09/2017–10/2022) wurde eine Datenbank angelegt, die aus Sprachaufnahmen von Jugendlichen im Alter von 14-17 Jahren besteht. Die Aufnahmen bestehen aus verschiedenen Sprechstilen (Einzel- und Gruppeninterviews, Leseprache, Diapix); neben Jugendlichen mit Migrationshintergrund wird auch eine Gruppe von Schülern ohne Migrationshintergrund aufgenommen. Neben der akustischen und statistischen Auswertung bestimmter phonetischer Merkmale sollen Perzeptionsexperimente Aufschluss geben über die soziale Bedeutung (multi-)ethnolektaler Sprechweisen.
Grundlage der Diapix übernommen von Baker und Hazan (2011) und für das Forschungsprojekt angepasst
Prof. Dr. Stephan Schmid (Projektleiter)
Dr. Marie-Anne Morand (Wissenschaftliche Mitarbeiterin)
PD Dr. Sandra Schwab (Wissenschaftliche Mitarbeitern)
Zora Naef (studentische Hilfskraft)
Camille Watter (studentische Hilfskraft)
Melissa Bruno (studentische Hilfskraft)
Seraina Nadig (studentische Hilfskraft)
Nora Julmi (studentische Hilfskraft)
Das Projekt betreibt soziolinguistische Grundlagenforschung zu neuen Entwicklungen der Sprachsituation in der deutschsprachigen Schweiz. Die linguistische Dokumentation der sprachlichen Variation liefert auch Hinweise auf soziale Stereotype und deren Interpretation in einer multikulturellen Gesellschaft.
Unser Projekt in den Medien:
Morand, M.-A., Schwab, S., & Schmid, S. (2022). Multiethnolectal Zurich German: Dialect transformation and sociolinguistic perception. Talk at Sociolinguistics Symposium 24, Ghent, 13.-16. Juli.
Morand, M.-A., Schwab, S., & Schmid, S. (2022). Wortinitiale Frikative im mulitethnolektalen Zürichdeutsch: ein soziophonetischer Marker? Talk at 7. Kongress der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD), Salzburg, 6.-8. Juli.
Baker, R., & Hazan, V. (2011). DiapixUK: task materials for the elicitation of multiple spontaneous speech dialogs. Behavior research methods, 761–770.